Jahrzehntelanger Fluglärm am Berliner Flughafen Tegel hat nach Einschätzung von Biologen beim Verhalten mancher Vogelarten Spuren hinterlassen. Auch noch ein halbes Jahr nach der Schließung des internationalen Airports 2020 fingen Arten wie Amseln in der Nähe des einstigen Rollfeldes früher mit ihrem Morgengesang an als Artgenossen an ruhigeren Orten. Das berichten Léna de Framond und Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (in Gründung) im bayerischen Seewiesen in einer aktuellen Studie. Der vergleichsweise frühe Gesang von Vögeln in der Einflugschneise von Tegel war demnach bereits 2016 in einer Studie gezeigt worden, als noch Flugbetrieb herrschte. Laut den Forschern scheinen Tiere ihre Signale dort frühzeitiger auszusenden, damit diese nicht im Lärm der Turbinen untergehen. Im Gesang enthalten seien überlebenswichtige Informationen, etwa zur Revierverteidigung und um Partner anzulocken. «Insgesamt zeigen wir, dass Lärmbelästigung langanhaltende Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere haben kann und dass die Beseitigung des Lärms bei manchen Arten nicht zu einer sofortigen Erholung führt», halten die Autoren im Fachblatt «Proceedings of the Royal Society B» fest. Die gute Nachricht: Beim Großteil der untersuchten Arten habe man im Frühjahr 2021 bereits eine Normalisierung der Gesangszeiten gesehen. Dies betreffe zum Beispiel Rotkehlchen, mehrere Meisenarten und Buntspechte. Amseln, Kleiber, Singdrosseln, Ringeltauben und Mönchsgrasmücken in Flughafennähe waren 2021 laut der Studie jedoch immer noch deutlich früher zu hören als ihre Artgenossen an ruhigeren Orten. «Die beobachtete Verschiebung beim Morgenchor beträgt je nach Art bis zu 20 Minuten», sagte Projektleiter Brumm, dessen wissenschaftliche Laufbahn in der Hauptstadt begonnen hatte. «Man könnte meinen, dass das keinen Riesenunterschied macht. Aber bei Vögeln ist der Morgenchor genauestens getaktet, bis hin zur Reihenfolge, in der die Vogelarten mit ihrem Gesang beginnen. Fünf Minuten zu spät zu sein, kann den Fortpflanzungserfolg beeinträchtigen.» Den Autoren zufolge könnten zwei Mechanismen hinter den je nach Art unterschiedlichen Reaktionen stehen. «Bei manchen Arten wie den Rotkehlchen scheint beim Individuum eine schnelle Anpassung an den veränderten Lärmpegel möglich zu sein», sagte Brumm. Bei Arten wie Amseln, die noch immer so früh singen wie zu Zeiten von lauten Starts und Landungen, habe sich durch den jahrzehntelangen Lärm vermutlich die Population verändert - so dass eher die Frühaufsteher in Flughafennähe vorkommen. «Vermutlich wird es ein paar Generationen dauern, bis sich die Gesangszeiten wieder normalisiert haben.» Die Forscher erkannten vor Jahren bei der Ankündigung der Schließung von Tegel die Gelegenheit für den Vorher-Nachher-Vergleich, wie Brumm sagte. Für die aktuelle Untersuchung wurden im Mai 2021 in etwa 150 Meter Entfernung zum einstigen Flughafengelände in der Jungfernheide der frühmorgendliche Vogelgesang aufgezeichnet. Hinzu kamen Aufnahmen von ruhigeren Kontrollstandorten in Berlin. Auch Hintergrundgeräusche wurden jeweils separat aufgenommen und berücksichtigt. Die Daten wurden mit jenen aus der ersten Studie verglichen. In Tegel war nach mehr als 70 Jahren am 8. November 2020 das letzte Flugzeug abgehoben. Zwölf Jahre nach der Schließung des Flughafens Tempelhof konzentrierte Berlin seinen Luftverkehr damit am Standort Schönefeld. Dort war Ende Oktober 2020 der BER eröffnet worden. Auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tegel entstehen nun ein Forschungs- und Industriepark und Wohnungen.Verschiebung beim Morgenchor bis zu 20 Minuten
Ende 2020 wurde Tegel geschlossen
Bildnachweis: © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa
Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Studie: Fluglärm beeinflusst manche Vogelarten langfristig
Als der Flughafen Berlin-Tegel noch in Betrieb war, fingen Vögel mit ihrem Morgengesang an als Artgenossen an ruhigeren Orten. Nach der Airport-Schließung Ende 2020 haben Forschende erneut hingehört.
Meistgelesene Artikel
Am 01.09.2024 haben wir für euch einiges zu bieten: XXL Hüpfburg, Parcours, Beratung, tolle Give aways & mega viel Spaß für die ganze Familie!
- 23. August 2024
Das Veedelsfest in Refrath
Das Programm für das Veedelsfest in Refrath am 31.08.2024 steht! Endecke jetzt alle Highlights des Festes in unserer Übersicht!
- 28. August 2024
„Burscheid liest“: Eine Woche voller Literatur und Lesefreude
Entdecke „Burscheid liest“: Eine Woche voller Lesungen, Workshops und Events rund um Literatur vom 1. bis 8. September 2024
Neueste Artikel
- 22. September 2024
Besucher verletzen mehrere Krankenhaus-Mitarbeiter in Essen
Angehörige eines Patienten greifen in Essen die Mitarbeiter eines Krankenhauses an. Eine 23-Jährige wird schwer verletzt. Jüngst gibt es eine Zunahme der Gewalt gegen Klinik-Beschäftigte.
- 22. September 2024
47 Jahre nach Doppelmord in Australien: Mann in Rom gefasst
1977 werden zwei junge Frauen in einer Wohnung im australischen Melbourne mit Stichwunden tot aufgefunden - das Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt. Jetzt gibt es eine Festnahme.
Weitere Artikel derselben Kategorie
- 22. September 2024
Besucher verletzen mehrere Krankenhaus-Mitarbeiter in Essen
Angehörige eines Patienten greifen in Essen die Mitarbeiter eines Krankenhauses an. Eine 23-Jährige wird schwer verletzt. Jüngst gibt es eine Zunahme der Gewalt gegen Klinik-Beschäftigte.
- 22. September 2024
47 Jahre nach Doppelmord in Australien: Mann in Rom gefasst
1977 werden zwei junge Frauen in einer Wohnung im australischen Melbourne mit Stichwunden tot aufgefunden - das Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt. Jetzt gibt es eine Festnahme.